„Anstatt sich einzelnen Fällen zu widmen, sollte die Politik abwarten, bis sich vollständige Konzepte etablieren und diese ‚durchregulieren‘. Ansonsten läuft sie Gefahr, dass ihre Entwürfe anfangs zwar Sinn ergeben, nach wenigen Monaten aber nicht mehr, weil sich der Markt viel zu schnell verändert.„
Luiza Castro, , Speakerin @ Beautiful Business in Web3
300 Millionen Menschen auf der Welt besitzen und handeln mit Kryptowährung. Dennoch erfährt der Markt – und folglich auch die Besitzer von Krypto-Geld – zurzeit schwere Verluste. Es stellt sich also unweigerlich die Frage: Braucht es sowohl auf regionaler als auch globaler Ebene strengere gesetzliche Vorgaben, um den Kryptomarkt zu regulieren? Wie steht es aktuell überhaupt um die Regulierung? Und was bedeutet der aktuelle Werteverlust von Kryptowährung?
Über diese Fragen und mehr haben wir mit Luiza Castro gesprochen. Luiza ist Anwältin mit ihrer eigenen Kanzlei in Portugal. Kryptowährungen und Web3-Themen gehören zu ihren Schwerpunkten. Zudem ist sie in den Bereichen Immobilien-, Einwanderungs-, Arbeits-, Steuer- und Unternehmensrecht tätig.
Quo vadis Kryptomarkt: Interview mit der Kryptoexpertin Luiza Castro
Monika Jiang: Luiza, wo stehen wir derzeit in Sachen Krypto-Regulierungen?
Luiza Castro: Der Markt macht eine turbulente Phase durch, doch das Thema Regulierung rückt zunehmend in den Fokus. Zwar versuchen Regierungen weltweit mit dem Tempo mitzuhalten, das das Web3 vorlegt – aber wir wissen ja aus Erfahrung, dass gesetzliche Institutionen ihre Zeit brauchen.
In der Regel erregt ein Hot Topic ihre Aufmerksamkeit, was sie dazu veranlasst, sich einzig und allein auf dieses zu konzentrieren und eine gesetzliche Lösung zu finden. Anstatt sich einzelnen Fällen zu widmen, sollte die Politik abwarten, bis sich vollständige Konzepte etablieren und diese „durchregulieren“. Ansonsten läuft sie Gefahr, dass ihre Entwürfe anfangs zwar Sinn ergeben, nach wenigen Monaten aber nicht mehr, weil sich der Markt viel zu schnell verändert.
Monika Jiang: Was hältst du von MiCA (Market in Crypto Asset, Regulierungsmaßnahme der EU)? Kannst du Licht für uns ins Dunkel bringen?
Luiza Castro: Der erste wichtige Punkt: MiCA soll einen Standard setzen für die Anforderung sämtlicher Dokumente, sobald ein Projekt auf den Markt gebracht wird – ein erster Filter also.
Tokens, die als Zahlungs- und Finanzmittel verwendet werden, berücksichtigt MiCA nicht – dies übernimmt die MiFID (Markets in Financial Instruments Directive). Stattdessen schlüsselt MiCA Tokens in verschiedene Kategorien auf und versucht sie dadurch mit den jeweiligen rechtlichen Folgen abzugleichen.
Ein kleines Beispiel zur Erklärung: Im Krypto-Gaming – oder auch Play-to-Earn – gibt es die sogenannten Utility Tokens. Man spielt das Spiel und erhält auf Basis seiner Skills diese Tokens. Bei Utility Tokens handelt es sich um eine Währung, die dann nur innerhalb dieses Settings – also des Spiels – eingesetzt werden kann, zum Beispiel um In-Game bestimmte Gegenstände zu kaufen. Kann der Spieler mit diesen Tokens jedoch „echte“ Kryptowährung erwerben, wird das ganz schnell zu einem Finanzinstrument, was einer Regulierung bedarf. Gleiches gilt, wenn mit diesen Tokens an der Krypto-Börse gehandelt werden darf.
Monika Jiang: Die ursprüngliche Idee war schon immer, dass der Kryptomarkt ein autonomer, sich selbst regulierender, dezentraler Markt ist – anders als der traditionelle Finanzsektor. Jedoch gibt es bereits einige große Player in diesem Bereich, die sich zu Krypto-Monopolen mit sehr hohem Einfluss entwickeln könnten. Wie unterscheidet sich also der Kryptomarkt vom bisherigen Finanzsystem? Und wie stark sollte die Politik wirklich involviert sein?
Luiza Castro: Wir haben sowohl die Big Player als auch verschiedene, verstreute Communities, die gerne weltweit geltende, homogene Standards sehen würden. Natürlich wirft das Fragen auf: Sollte der Markt überhaupt reguliert werden? Wie viele Gesetze braucht der Markt wirklich? Für viele spricht eine Regulierung ganz klar gegen die Idee des Web3, nämlich einer dezentralen Struktur, die jenseits von Banken und Regierungen funktioniert. Gleichzeitig wollen sie sich und ihre Unternehmen im Web3 vor steuerlichen Maßnahmen und Regierungseingriffen schützen.
Ich glaube, dass die Regulierungen für das Web3 anders aussehen werden als jene für traditionelle Märkte, denn derzeit besteht keine Möglichkeit für Regierungen, den Kryptomarkt wirklich umfänglich zu regulieren. Denn sie können weder wirklich einsehen, wer wieviel in seinen Wallets sammelt, wie viele Wallets eine Person überhaupt besitzt und wo sie sich befinden. Trotzdem wird die Politik es weiterhin versuchen – schließlich ist Geld im Spiel, und es handelt sich um einen wachsenden, vielversprechenden Markt.
Der Markt wird sich weiterentwickeln und vielleicht sind sich die Experten in ein paar Jahren einig darüber, wie wir vorgehen müssen oder wie es weitergehen soll. Und wenn wir das erreicht haben, dann können wir vielleicht mit der Politik darüber diskutieren, wie wir den Markt besser regulieren können, oder ob er sogar besser gar nicht reguliert werden sollten.
Hinweis: Zum besseren Verständnis wurde das Interview editiert.