Die Macht der Kunst
Das Künstlerduo Chow & Lin aus Peking über die Macht der Kunst und wie sie über moderne Technologien und globale Missstände aufklärt
Noch immer leben Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Künstler und Fotografen zeigen diese Umstände oftmals durch Porträts betroffener Personen. Doch je mehr von diesen Porträts konsumiert werden, desto höher ist das Risiko, dass die Gesellschaft desensibilisiert wird.
Deshalb hat sich das Künstlerduo Chow & Lin aus Peking dazu entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen, um von wirtschaftlichen Problemen zu erzählen: Sie verbinden Kunst mit Blockchain-Technologie.
The Poverty Line: Leben an der Armutsgrenze
Stefen Chow und Hui-Yi Lin sind beide in Singapur aufgewachsen und wurden durch ihre persönlichen Erlebnisse früh mit Armut konfrontiert. Stefen ist heute ausgebildeter Fotograf. Lin war eine Zeit lang in der singapurischen Regierung tätig, wo sie aus erster Hand mit ansehen konnte, wie sich Regulierungen und Gesetze auf den „kleinen Mann“ auswirkten.
Eines ihrer ersten Projekte bestand darin, den ökonomischen Begriff „Armut“ mithilfe von Lebensmitteln darzustellen, die sich eine arme Person an einem Tag leisten kann. Sie wollten damit veranschaulichen, dass Armut, anders als viele glauben, nicht zwangsläufig mit Obdachlosigkeit einhergeht.
Arme Menschen verdienen Geld, jedoch nicht genug, um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Diese Umstände visualisierten sie mit ihrem Projekt The Poverty Line. Dafür fotografierten sie Lebensmittel, die sich Menschen weltweit leisten können, wenn sie am Limit leben.
Decentralized Value Systems: Ab wann verlieren Grundbedürfnisse ihren Wert?
Bald erregten chinesische Mantou ihre Aufmerksamkeit – ein eher geschmackloses, aber sättigendes Dampfbrot, das aus Mehl, Wasser und Hefe besteht. Während der Preis für Mantou in den letzten Jahren stieg, lösten Digital Wallets und Kryptowährungen das Echtgeld zunehmend ab. Dadurch ging die Auffassung von der Rolle des Geldes und seiner Stabilität verloren. Nur noch arme Menschen machen von Bargeld Gebrauch.
Aus dieser Problematik heraus entstand ein neues Projekt, mit dem Chow & Lin die Logik von Wertesystemen und das Konzept des Austausches von Waren gegen Währung hinterfragten. Der Name des Projekts: Decentralized Value Systems.
Dafür sammelten sie Lebensmittel, die eine ähnliche finanzielle Wertigkeit besitzen. So entsprachen ein paar Äpfel etwa 1.200 Mantou. Sie legten das Essen mosaikartig auf dem Boden aus und stellten die Frage:
Besitzt es noch einen Wert oder ist das Essen nun verschwendet?
Auf dem Boden liegend scheinen die Lebensmittel trotzdem noch wertvoll und lebensnotwendig zu sein. Sobald sie jedoch mit Geld gleichgesetzt werden, verlieren sie ihren Wert.
Das Künstlerduo bot die Werke des Projektes auch auf Opensea an, um einmal mehr darauf hinzuweisen, wie unbeständig Geldwerte – selbst durch die Krypto-Linse betrachtet – sind. Damit werfen Chow & Lin eine wichtige Frage auf:
Welche Strukturen bleiben und welche werden (oder müssen) sich ändern?
Lebensmittel sind nur solange verfügbar, bis zugrundeliegende Systeme instabil werden. Zum Beispiel verändern sich globale Lieferketten angesichts politischer Ereignisse und des Klimawandels. Diese Fragilität führt dazu, dass Grundnahrungsmittel immer teurer werden.
Zum Ansehen:
- Projekte von Chow & Lin: The Poverty Line und Decentralized Value Systems