Halbleere Gesten sind leider alles, was die meisten Unternehmen am heutigen Weltfrauentag zustande bekommen: Warme Worte, Schokolade, Rosen. Dabei gibt es diesen Tag seit mehr als hundert Jahren – und die Forderungen von damals sind immer noch nicht alle umgesetzt. Kommunikation rund um das Thema ist wichtig, klar. Doch Unternehmen müssen mehr leisten, als bedeutungslose Plattitüden zu verbreiten. Für einen Internationalen Frauentag ohne Rosen, aber mit Agenda.
Gleichberechtigung als Kampf
Begonnen hat der Internationale Frauentag als Frauenkampftag, getragen von gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Akteur:innen. Am 19. März 1911 gingen dafür Millionen Frauen in den USA, Deutschland, der Schweiz, Dänemark und Österreich auf die Straße. Die Demonstrantinnen forderten die Einführung des allgemeinen Wahl- und Stimmrechts für Frauen, Durchsetzung des Acht-Stunden-Arbeitstages, Mutter- und Kindesschutz, Festsetzung von Mindestlöhnen und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Etliche Jahre später, 1975, erklärte die UNO den 8. März zum Internationalen Frauentag. Im Jahr 1977 ernannte die UNO-Generalversammlung den Tag schließlich zum „Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“, der weltweit auf Gewalt gegen und Benachteiligung von Frauen aufmerksam machen soll. Heute steht der 8. März zunehmend für die Kämpfe aller, die vom Patriarchat unterdrückt werden. Anders als zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehen nicht mehr vor allem nur Frauen auf die Straße, sondern Menschen, die sich unter dem Akronym FLINT* zusammenfassen lassen: Frauen, Lesben, intersexuelle Personen, nicht-binäre Personen, Transpersonen und andere.
Zwei Schritte vor, einer zurück?
Seit dem ersten Frauenkampftag ist ein ganzes Jahrhundert vergangen. Die damaligen Forderungen sind teilweise umgesetzt – teilweise noch nicht. So zeigt beispielsweise der sogenannte Gender Pay Gap, dass wir von „gleichem Lohn für gleiche Arbeit“ noch weit entfernt sind: Um ganze 22 Prozent unterscheiden sich die Löhne von Frauen und Männern im Durchschnitt (Statistisches Bundesamt, Stand 2019). Erklärungen dafür gibt es viele, begründet sind sie überwiegend in Vorurteilen und veralteten Rollenbildern. So arbeiten Frauen häufiger Teilzeit, da sie in aller Regel immer noch für den Haushalt und die Kinderbetreuung zuständig sind. Zusätzlich arbeiten sie vermehrt in weniger lukrativen Branchen, etwa im sozialen Bereich. Außerdem sitzen Frauen seltener in Führungsetagen, weil wir ihnen aufgrund von Stereotypen Kompetenz absprechen.
Den Rosen Taten folgen lassen
Wir sind zwar weiter als vor 110 Jahren, doch viele Forderungen von damals sind noch offen. Und das Bewusstsein für die fortbestehenden Ungerechtigkeiten wächst. Für Unternehmen gilt es jetzt zu erkennen, dass die Zeit leerer Gesten vorbei ist. Rosen am 8. März sind nett gemeint, lösen aber keine Probleme. Zusätzlich befeuern solche Aktionen oft bestehende Klischees. Die Verantwortlichen müssen umdenken und Gleichberechtigung ganzjährig auf die Agenda setzen.
Denn was wir wollen, ist Veränderung. Wir wollen faire Löhne. Wir wollen, dass Opfern von Sexismus und sexualisierter Gewalt geglaubt wird. Wir wollen, dass Täter zur Verantwortung gezogen werden. Wir wollen Anti-Sexismus-Workshops. Wir wollen mehr Diversität in der Belegschaft und in der Führungsetage. Wir wollen kein Gelächter mehr, wenn es um das Thema genderneutrale Sprache geht. Wir wollen, dass das Budget für Rosen und andere Frauentagsgeschenke in Zukunft gespendet wird – an gemeinnützige Organisationen, die sich für Gleichberechtigung oder Opfer von Gewalt einsetzen. Unternehmen sollten den Internationalen Frauentag zum Anlass nehmen, um den Betroffenen zuzuhören und echte Veränderung voranzutreiben. Ranklotzen statt Rosen, anders kommen wir nicht weiter.