Digitale Technologien fressen Strom, verbrauchen Ressourcen und können uns und unserer Gesellschaft schaden. Die Lösung? Innovationskraft – und Digitalisierung.
An jeder zweiten Email prangt der Hinweis, man möge sich das mit dem Ausdrucken sorgfältig überlegen. Dass alleine das Lesen der Email auf einem Smartphone bereits Strom verbraucht, das hat der gut gemeinte Satz am Ende der Email nicht erwähnt – ganz abgesehen davon, dass die Herstellung, Nutzung und Verschrottung jedes Smartphones kostbare Ressourcen verbraucht.
Wie der Guardian schon 2017 berichtete, können die Milliarden internetfähigen Geräte bis zu 3,5 Prozent der globalen Emissionen ausmachen. Bis 2040 könnte dieser Anteil auf 14 Prozent ansteigen. Alleine das Internet mit Serverfarmen und Rechenzentren verbraucht jedes Jahr Unmengen an Energie. Die Digitalisierung der gesamten Wirtschaft vervielfacht diese Anforderungen am laufenden Band.
Digitale Haltungsschäden
Und in der digitalen Ära schaden Produkte nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesellschaft als Ganzes. Die Management-Publikation Sloan Review des MIT hat die „Digital-Era Pollution“ in drei Gruppen eingeteilt:
- Abwasser im Informationsfluss
Social Media und die Demokratisierung der Kommunikation führen dazu, dass bei Nutzern so viel selektiv gefärbte Informationen, Lügen und Unwahrheiten hängen bleiben, dass sich eine verschobene Realitätssicht breit macht. Vertrauen in die Institutionen bröckelt.
- Extreme Meinungsverstärker
Der Facebook-Algorithmus für Ad Targeting trägt messbar zur politischen Polarisierung bei. YouTube schlug bis vor kurzem immer extremeren Content vor, da dieser besser geteilt und angeklickt wird. Wir lechzen nach Likes, Follows und Faves oder trachten danach, uns moralisch zu echauffieren.
Digitale Disruption in Geschäftsmodellen geht oft mit Outsourcing und einer Abschaffung von Gewerkschaften und Mitbestimmung einher. Dieser Zyklus der Verarmung und Verunsicherung trägt dazu bei, die Gesellschaft weiter zu spalten.
- Psychische Gesundheitsschäden
So wie Luft- und Wasserverschmutzung unseren Körper schädigen, so vergiftet Social Media unseren Geist. Depression und Angstzustände sind nachgewiesene Effekte, die in Korrelation zu Social-Media-Nutzung stehen. Schon eine Woche „Facebook-Frei“ wirkt sich messbar positiv auf unsere Psyche aus.
Was jetzt? Mehr Innovation!
Eine häufige Reaktion auf die Gefahren durch Technologie ist die Forderung nach weniger Technologie. Doch die Hochöfen im London der Neuzeit sind nicht durch eine Rückkehr ins Mittelalter verschwunden, sondern durch mehr und bessere Technologie. Autos sind nicht sicherer geworden, weil wir wieder Pferde benutzen, sondern weil es Airbags, Sitzgurte und EBS gibt.
Die Antwort auf die Herausforderungen der Digital Pollution kann daher nur sein, ein gigantisches Innovations- und Investitionsprogramm zu fordern und zu fördern. Wir müssen auf ressourceneffiziente Technologien setzen, auf klimaneutrale Mobilität, auf High-Tech-Biolandwirtschaft und vieles mehr. Wir müssen Stoffkreisläufe erschaffen, die keinen Abfall mehr kennen: Alles, was produziert wird, muss recyclebar sein.
Beispiel Rechenzentrum
Ein Beispiel aus der bestehenden Praxis ist die Arbeit am Rechenzentrum. Serverfarmen bilden neben dem Netzwerk das Herz der Digitalisierung. Und es gibt bereits erfolgreiche „Green Data Centers“: Der Informations-Management-Konzern Iron Mountain (Kunden sind u.a. Facebook) hat in den letzten Jahren sein Rechenzentrums-Business kräftig ausgebaut.
Seit letztem Jahr bietet das Unternehmen einen „Green Power Pass“ an, mit dem Kunden jeder Größe ausweisen können, dass ihre Rechenkapazität mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Auch die großen Player AWS, Microsoft (mit Azure) und Google sind seit Jahren dabei, ihre Rechenzentren auf grün zu trimmen – mit Erfolg.
Der Weg aus der Umweltkrise führt also nicht über einen Rückbau unserer komplexen Wissens- und Industriegesellschaft, sondern muss sich deren historisch einzigartige Innovationskraft zunutze machen. Wir sind nicht am Ende des wissenschaftlich-technischen Zeitalters angelangt, sondern stehen vor einem großen Aufbruch: der grünen industriellen Revolution.